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Winterstarre ,Kältestarre (Hibernation)

Schildkröten sind wechselwarme Tiere und unterliegen somit dem Einfluss der im Habitat herrschenden Temperaturen. Im Herbst beginnt im Mittelmeerraum die Regenzeit, die Temperaturen fallen, die Sonne zeigt sich seltener und hat nicht mehr die Intensität wie im Sommer. Sinken im Habitat die Temperaturen werden die Schildkröten träge, stellen das Fressen ein und ziehen sich nach und nach in vorhandene oder selbstgegrabene Höhlen, verlassene Tierbaue oder andere geeignete Unterschlüpfe zurück. Bei Temperaturen von ca.5°C verfallen sie in die Winterstarre. Jetzt bewegen sie sich fast nicht mehr. Der Stoffwechsel, die Atmung und der Herzschlag sind auf ein Minimum reduziert. Die Tiere sind in diesem Zustand nicht mehr in der Lage anfallende, giftige Abbauprodukte des Stoffwechsels zu entsorgen.

In wärmeren Gegenden des Verbreitungsgebietes von europäischen Landschildkröten sind auch im Winter an milden Tagen sich sonnende Tiere anzutreffen. Wir können die Verhältnisse aus solchen Habitaten in unserer Haltung jedoch sehr schlecht simulieren da wir nicht die notwendigen Bedingungen schaffen können. Jahrzehntelange Erfahrung von Schildkrötenhaltern aus unseren Klimaten haben gezeigt das in unserem Klima eine ununterbrochene Winterstarre bei Temperaturen von ca.5°C für eine gewisse Zeit die beste Alternative sind. Dabei spielt die ursprüngliche Herkunft unserer Tiere eine große Rolle. Stammen die Schildkröten bzw. deren Vorfahren aus wärmeren Habitaten wie z.B. dem Südeuropäischen Mittelmeerraum kann man sie vielleicht 3 Monate in der Winterstarre belassen, Tiere vom Balkan oder auch Testudo horsfieldii aus Kazachstan oder Usbekistan können durchaus bis zu 5 Monaten starren. Häufig ist aber leider nicht mehr nachzuvollziehen aus welchem Verbreitungsgebiet unsere Tiere stammen. Und selbst wenn man es weiß gibt es dort vielleicht Populationen welche in Meeresnähe oder im Gebirge vorkommen und somit auch unterschiedlich lange Winterstarren halten. Beim Kauf von Schildkröten ist es daher sehr wichtig den Züchter zu befragen wie die Elterntiere überwintert werden. Die Länge der Winterstarre ist nicht von der Unterart (z.B. T.h.hermanni oder T.h.boettgeri) abhängig sondern davon aus welchen Verbreitungsgebiet mit welchem Klima sie stammen.

Die Winterstarre spielt für die Fruchtbarkeit Europäischer Landschildkröten eine wichtige Rolle. Nur Tiere welche eine angemessene Winterstarre durchleben sind befriedigend fruchtbar.

Schildkröten die keine Winterstarre bekommen wachsen durch die verlängerte Aktivitätszeit unnatürlich und zu schnell was wiederum zu Erkrankungen vornehmlich von inneren Organen führen kann. Außerdem sind solche Tiere im Frühling/Sommer häufig inaktiver. Wir sollten unseren Schildkröten also einen möglichst natürlichen Jahresrhythmus bieten, wobei die Winterstarre ein wichtiger Bestandteil von diesem ist.

Kühlschranküberwinterung


Neben der Überwinterung Europäischer Landschildkröten im Keller oder gesicherten Gewächshaus/Frühbeet hat sich seit einigen Jahren bei vielen Haltern auch bei mir die Winterstarre im Kühlschrank bewährt.

Am besten eignet sich ein Vollraumkühlschrank ohne Gefrierfach. Üblich sind die handelsüblichen Kompressorgeräte. Aber auch geräumige, elektrisch gesteuerte Absorbtionskühlschränke ( Absorberkühlschränke) sind sehr gut geeignet.

Besitzt das Gerät ein Gefrierfach, so sind die Kisten mit den Schildkröten auf einen sicheren Abstand zu bringen um ein einfrieren Derer zu verhindern. Ein mehrtägiger Probelauf mit Temperaturmessungen in möglichst vielen Bereichen des Kühlschrankes mit Substrat befüllten Kisten, aber ohne Schildkröten, ist unbedingt durchzuführen!

Bedingt durch die Bauart von Kühlschränken und physikalischen Gesetzen treten in den verschiedenen Ebenen abweichende Temperaturen auf. Am wärmsten ist das Gemüsefach, also das ganz untere. Hierbei spielt der Motor des Kühlschrankes welcher ja auch Wärme erzeugt eine Rolle. Ähnlich warm ist das obere Fach da Wärme nach oben steigt. Um so weiter man dann nach unten geht um so kälter wird es im Gerät. Das Fach über dem Gemüsefach sollte die tiefsten Temperaturen aufweisen. Besprochen wird hier ein Kühlschrank ohne Gefrierfach!!! Bei höheren Geräten ist häufig ein Gebläsemotor zur Luftumwälzung eingesetzt. Um genaue Temperaturangaben zu erhalten ist ein mehrtägiger Probelauf unerlässlich. Temperaturunterschiede in den einzelnen Bereichen von bis zu ca. 4°C im Gerät sind durchaus normal.

Der für die Winterstarre von Schildkröten eingesetzte Kühlschrank sollte möglichst ruhig und vibrationsarm arbeiten. Schildkröten nehmen schon geringste Erschütterungen war. Man kann aber auf Grund langjähriger Erfahrungen mit Kühlschranküberwinterung davon ausgehen das vom Gerät ausgehende, sich im „Rahmen befindende“ Vibrationen keinen Einfluss auf die Starre der Tiere ausübt.


Winterstarre bei Freilandhaltung

Im Freiland mit anschließenden Frühbeet oder Gewächshaus gehaltene Tiere bereiten sich selbstständig auf die Winterstarre vor.

Wird es kühler reduzieren die Schildkröten die Nahrungsaufnahme und stellen sie dann ganz ein. Täglich einige Stunden Sonne oder das vorhanden sein eines Wärmespots ist in dieser Zeit aber dennoch wichtig. So kann die zuletzt aufgenommene Nahrung besser verdaut und ausgeschieden werden. Unterstützt wird die Entleerung des Darmes durch im Frühbeet/Gewächshaus vorhandene Wasserschalen aus denen die Tiere selbständig trinken und baden. Eine vollkommende Entleerung des Darmes, wie sie früher propagiert wurde ist nicht nötig, ja kann sogar zu Störungen der Darmflora führen. Man sollte besonders in dieser Zeit darauf achten das das Substrat der Schlafplätze eine gewisse Feuchte aufweist.

Erwähnt sei noch das es nicht selten vorkommt das Tiere während der Starre noch Kot abgeben.

Fallen die Temperaturen ca. unter 10°C zeigen sich die Schildkröten so gut wie nicht mehr. Viele Tiere graben jetzt instinktiv tiefer um bei den für sie günstigen Temperaturen von ca. 5°C zu Starren. Werden die Schildkröten nicht im Frühbeet/Gewächshaus überwintert sollten sie in diesem Zustand der Starre in mit Garten- oder Maulwurfserde gefüllte Behälter mit einer Abdeckung aus Laub, am besten Buchenlaub oder alternativ Spaghnummoos oder hartem Stroh gesetzt werden. So kann man die Behälter in einen Kühlschrank oder kalten Keller überführen. Sollte man z.B. im Keller überwintern wollen aber die Temperaturen in diesem noch zu hoch sein (über +6°C), besteht auch die Möglichkeit die Schildkröten in geeigneten kühlen Räumen wie Garage, Waschhaus ect. "zwischenzulagern". Die Tiere können in Mörtelwannen mit Gartenerde, einer Laubschicht und sicher vor Nagern, Hunden u.s.w., frostfrei dort untergebracht werden.

 
  Dieter Brehm